paradeisos
ein Text von Dr. Peter Lodermeyer anlässlich der Ausstellung Vorgebirgsparkskulptur am 16.08.2015 mit Ines Hock, Anja Hoinka, Gereon Krebber und Petra Siering in Köln
Ein Paradiesgärtlein ist der sogenannte Immergrüne Garten, der nördlichste Sondergarten des Vorgebirgsparks in Köln, vielleicht nicht gerade, aber doch zweifellos ein ruhiger, beschaulicher und erholsamer Ort mitten im städtischen Getriebe. Dennoch – und mit gutem Grund – hat die in Köln lebende Künstlerin Claudia Larissa Artz ihrem ebendort platzierten Beitrag zur „Vorgebirgspark Skulptur 2015“ den Titel „paradeisos“ gegeben. Das griechische Wort geht auf das altpersische pairi-da?za zurück, das so viel bedeutet wie „umgrenzter Bereich“. Er stammt womöglich von den assyrischen Palastgärten her und wurde in der Antike für umfriedete, gestaltete, teilweise mit exotischen Tieren belebte Gartenanlagen verwendet. Folgerichtig wurde der Garten in Eden, die Wohnstätte von Adam und Eva, dem ersten Menschenpaar, von dem im 1. Buch Moses die Rede ist, in der griechischen Übersetzung zum „Paradies“.
Ein „umgrenzter Bereich“ ist der teilweise von einer Buchenhecke umschlossene und im Inneren von zwei dichten Eibenreihen geteilte Immergrüne Garten in weit höherem Maße als die anderen Sondergärten des Vorgebirgsparks. Obwohl Fritz Encke (1861-1931), der Gartenarchitekt, der den Park als ersten modernen Volkspark Kölns entworfen und angelegt hat, sich dabei am Vorbild englischer Landschaftsgärten orientierte, erlaubte er sich beim Entwurf des Immergrünen Gartens mit seinen vier von Hecken umsäumten Sitznischen und der geometrischen Gliederung des Rasens gewisse Rückgriffe auf die Gartengestaltung des Barock. Dabei durfte auch ein Springbrunnen im zentralen Schnittpunkt der Wege mitten im tiefer gelegten Rasenareal nicht fehlen, wo sich heute allerdings ein mit Schilf bestandenes Rundbeet befindet. Als Ort für ihren künstlerischen Beitrag fand Claudia Artz diesen Parkteil besonders reizvoll wegen des ausgeprägten Kontrasts zwischen Naturformen und Geometrie, wie er sich besonders anschaulich im Verhältnis zwischen den organischen Wuchsformen der üppigen Eiben und den vier leeren, gemauerten und verputzten Sockeln zeigt, auf denen einst neobarocke Figuren spielender Putten platziert waren.
Claudia Artz ist Malerin, hat jedoch auch eine Ausbildung zur Innenarchitektin absolviert und hegt zudem ein ausgeprägtes Interesse für die Gartenkunst verschiedener Zeiten und Kulturen. Alle diese Interessen finden in ihrem „paradeisos“-Projekt auf ideale Weise zusammen. Zur gedanklichen Vorbereitung auf ihren Beitrag hat die Künstlerin eine Reihe von prägnanten Zitaten aus der Literatur zur Gartengestaltung in unterschiedlichen Kulturkreisen zusammengestellt. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Analysen traditioneller japanischer Gärten, bei denen sich die rationale Geometrie der Anlagen, die Herrschaft des rechten Winkels, mit den irregulären, naturhaften Formen von Pflanzen und Steinen zu einer höheren Synthese, einer idealen Harmonie verbinden sollen. Als Malerin ist Claudia Artz auch fasziniert von einer Schilderung, der zufolge der mexikanische Architekt Luis Barragán, der ganz dezidiert mit farbigen Architekturelementen arbeitete, einst eigens eine gelb gestrichene Mauer habe errichten lassen, damit sich vor ihrem Hintergrund der Schatten eines wild wachsenden Pfefferbaums umso beeindruckender abzeichnen konnte.
Geometrische Elemente, rechter Winkel, Farbe – das sind auch die entscheidenden Elemente des Projekts, das Claudia Artz für die „Vorgebirgspark Skulptur“ entworfen hat. Die Grundidee besteht darin, die Gegebenheiten im Immergrünen Garten durch den Einsatz von acht farbigen plastischen Elementen zu akzentuieren und durch die so entstehenden Sichtachsen und Farbklänge neu erlebbar zu machen. Diese geometrisch geformten Farbkörper unterschiedlicher Ausrichtung und Größe stellen eine perfekte Verbindung aus Malerei und Skulptur dar. Es handelt sich dabei um überwiegend längliche, rundum mit Jute bespannte und monochrom mit Pigmenten und Acrylbinder bemalte Objekte, die, auf jeweils zwei braun lasierten Kanthölzern aufgestellt oder auch direkt auf die Rasenfläche gelegt werden. Die Malerei auf den Objekten ist sehr offen und direkt, im Nahblick lässt sich die Gewebestruktur der Jute deutlich erkennen. Die Farbpalette der Objekte umfasst zarte Rot- und Rosétöne, Magenta, zwei Gelbwerte (Hansa- und Cyperngelb), Olivgrün, ein dunkleres Coelin- sowie ein sehr helles, zartes Kupferblau – alles unaufdringliche, sensible Farbwerte, die sich entweder kontrastiv oder durch Ähnlichkeit sehr gut in das im Immergrünen Garten vorherrschende Farbklima einfügen. An ausgesuchten, für das Erleben des Gartens strategisch wichtigen Punkten, im Eingangsbereich, zwischen den Eiben, auf zweien der Skulpturensockel und auf dem Rasen sind sie so platziert, dass sich beim Durchwandern des Gartens immer neue Perspektiven, Verbindungen, Farbbeziehungen und Kontraste ergeben. Geometrie und Naturform, Farbe und Raum, Park und Betrachter werden so als Gesamtheit erlebbar.
– Peter Lodermeyer –