M-bodi-ment-A

Ausstellung ‘Embodied Art’, kuratiert von Andrea Morein/english below
Deutscher Künstlerbund e.V., Berlin, 16.09.21-19.11.21

Aufgrund meines eigenen Hintergrundes – vom Ausdruckstanz kommend und mit einer langjährigen Praxis unterschiedlicher ganzheitlicher Bewegungs- und Performanceformen – habe ich den Verkörperungsaspekt auch in anderen künstlerischen Medien entdeckt und in der Folge danach geforscht, was eine embodiment – betonte Kunstpraxis sein könnte. Ein vorläufiges Ergebnis dieser Forschung stellt diese Ausstellung dar.
Was ist Embodiment? (Ein bisschen wie der Elefant im Raum; alle wissen was das ist, aber die wenigsten können es umschreiben.)
Der Begriff ‚Verkörperung’ im Deutschen wird oft anders benutzt. Eher in einem metaphorischen Sinn: Etwas ist die Verkörperung von etwas… Dem Begriff ‚Embodiment’ begegnen wir z Zt. vermehrt in der Tanz-, Therapie- und Bewegungsszene. Es gibt viele Angebote, die die Einheit von Körper und Geist betonen. Embodiment im Sinne von ‚durch den Körper’ erlebtem Bewußtsein. Sie sprechen die so ersehnte Verbundenheit mit sich als ‚Ganzheit’ an, auch als Gegengewicht zur zunehmenden Selbstentfremdung in unserer Welt.
Dieses Bedürfnis hat sich in der Pandemie noch verstärkt. Unsere durch Informationen überflutete Lebensweise – auch schon davor! – hat uns ein Leben mit Abstand und Trennung bewusst gemacht; wir vermissen zunehmend jegliche Art der Verbundenheit… und diese kann auch durch die Kunst erfahrbar werden. Vielleicht ist daher diese Ausstellung auch jetzt relevanter als vor der Pandemie.
Wie könnte man ‚embodied art‘ beschreiben?
Es ist kein ‚Gebrauchen’ des Körpers als Mittel, als Vehikel oder als Formsprache. Kein sich selber zum Material erklären und auch nicht den Raum durch die eingesetzte Materialität alleine festschreiben‚ Embodied art’ bringt – im Zusammenklang der ganzen Person in Zeit und Raum – den Prozess des Tuns auf einen Nenner. Sie ist unmittelbar und auch unausweichlich. Ich benutze dafür an anderer Stelle den Begriff IS-ness. Es ist. 

Für den Betrachter stellt sich eine Direktheit der Rezeption ein, die ihn jenseits seines Intellektes anspricht – diesen jedoch nicht ausschließt. Es ist wie ein Geschehen, bedarf keiner Referenzialität und deutet nicht auf etwas Anderes, Darüberhinausgehendes hin, ist also sein eigenes Universum (wie es Ohad Naharin in dem Video in der Ausstellung sagt).
Man kann auch sagen, dass ‚embodied art‘ ein Feld kreiert, indem die Grenzen fließend sind und die Dinge alle in Beziehung zueinander stehen.

M-bodi-ment-A
Der Titel hat natürlich etwas manifesthaftiges, eine Behauptung, die dieser Kunstpraxis ein eigenes Label, einen eigenen Namen geben will… Und in dem Namen verbirgt sich noch ein weiterer Begriff, wenn man das große M am Anfang und das große A am Ende zusammenfügt, ergibt sich das Wort MA. „MA“ ist das japanische Wort für Raum, es beschreibt mehr als den messbaren Inhalt eines geometrischen Körpers. Es bezeichnet einen Raum „zwischen“ den Dingen; etwas zwischen Form und Nicht-Form. Der Faktor Zeit kann dabei eine raumprägende Rolle einnehmen. So wird der Rhythmus des Klatschens durch die Pausen zwischen dem Ton bestimmt und nicht etwa durch den Ton an sich.

Noa Eshkol als zentrale Position. Ich werde hier nicht über alle teilnehmenden KünstlerInnen sprechen können; das würde den Rahmen dieses Textes sprengen, sondern den Fokus auf Noa Eshkol legen; sie ist quasi der Schlüssel gewesen in meiner Beschäftigung mit der Frage der ‚embodied art’ für diese Ausstellung. Anfang der 70iger Jahre nahm ich im Rahmen meines Regiestudiums am Seminar Ha‘Kibbutzim in Israel an ihren Bewegungsstunden teil. Sehr ungewohnte Methodik; ein bisschen spröde und sehr reduziert. Nix spontan, wie ich das aus dem Kreativen Tanz kannte. Sie machte nie eine Bewegung vor, es gab keine Spiegel, sie wollte, dass wir die Bewegungen erspüren. Dies wurde mir auch später von ihren Tänzerinnen bei meinem Besuch in der Noa Eshkol Foundation im Jahr 2019 bestätigt. Erst 30 Jahre später – und zu meiner großen Überraschung – erfuhr ich, dass sie identisch ist mit der Künstlerin, die Wandteppiche aus Stoffresten hergestellt hat. Eshkols Tanzpraxis und Bewegungsforschung sind gekennzeichnet durch Reduktion und einer formalisierten Bewegungssprache. Im Kontrast hierzu erscheinen die farbprächtigen, expressiven Textilarbeiten in krassem Gegensatz. Diese beiden Seiten ihrer künstlerischen Arbeit existieren sozusagen in einem Paralleluniversum. Man könnte vielleicht sagen rechtshirnig versus linkshirnig. Eshkol selbst hat keine Verbindung zwischen ihren Tänzen und ihren Textilarbeiten gesehen, und doch wurden diese verschiedenen Bereiche in ihrem Haus in Holon aufs Engste miteinander verknüpft und markieren – auch heute noch – einen lebendigen Ort regelmäßiger Gruppenarbeit, dem Sitz der Noa Eshkol Foundation. Von meinem schon erwähnten Besuch dort zeige ich einige Impressionen als slide-show im Raum. Da kann man übrigens sehen, wie die Textilschnipsel von Noa unverändert – so, wie sie sie vorfand –, mit Heftstichen auf die Unterlagen aufgebracht und später von ihren TänzerInnen mit Kreuzstichen befestigt wurden. Über ihre 1973 begonnene Arbeit mit den Stoffresten sagt Noa selbst:
‚This occupation had at first no explanation and ideology. It began as an entirely personal urge to make something, not something that involved an intellectual decision (…) It has no rules (…) no theory – only passion. (…) There is something of “action painting” in this process. The combinations that result, reveal a choosing “I” – one that I do not always recognize as “me.” Black Ivy in the Window, 2006 Ist der Titel des Wandteppichs, der auf einem Podest in der Mitte des Projektraumes liegt und das Zentrum der Ausstellung ist. Die Arbeit ist ein Jahr vor ihrem Tod entstanden. Sie ist farblich reduzierter als die meisten ihrer Wandteppiche und hat eine offene Komposition. Ich habe sie ausgesucht, im Gegensatz zu vielen ihrer sonst sehr kompakt komponierten Wandteppiche. Mit dieser offenen Komposition können sich alle anderen Werke sozusagen drum herum platzieren. Man kann fast alle Arbeiten im Raum vom zentralen Punkt aus sehen, sie bilden ein gemeinsames Ganzes.
The Nature of the Beast – so habe ich die Zusammenstellung der KünstlerInnen für die M-bodi-ment-A im Arbeitsprozess getauft…
Die KünstlerInnen kommen aus verschiedenen Generationen (von der schon 2007 verstorbenen Noa Eshkol bis zu Abi Tariq, der 1990 geboren wurde). Die Diversität ihrer Herkunft und Arbeitsprozesse können und sollen die üblichen Kategorien von ‚jungen’ bzw. ‚älteren’ Künstlern aufheben und auch die Bekanntheitsgrade der Positionen durchmischen.
Ich habe absichtlich keine brandaktuellen Arbeiten ausgewählt, oder mich auf die aktuellen Tendenzen der bildenden bzw. performativen Künste konzentriert. Ich habe im Gesamtwerk der jeweiligen KollegInnen nach den Arbeiten gesucht, die diesen Aspekt am meisten ‚verkörpern’.

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exhibition on ‘Embodied Art’, curated by Andrea Morein/english
Deutscher Künstlerbund e.V., Berlin, 16.09.21-19.11.21

Based on my own background, coming from German Dance and with many years of practice of various holistic forms of movement and performance, I discovered the aspect of embodiment in other artistic disciplines as well and then explored what an artistic practice that emphasises embodiment might look like. This exhibition represents a provisional result of that research.
What is embodiment?
(A little like the elephant in the room: everyone knows what it is but few can describe it.)
The German word Verkörperung is often used differently. More in a metaphorical sense: Something is the embodiment of something else … These days we encounter the term ‘embodiment’ more and more in the dance, therapy and movement scene. There are many offerings that emphasize the unity of body and spirit. ‘Embodiment’ in the sense of awareness experienced through the body. They are addressing the yearned-for connection with oneself as a ‘totality’, also as a counterbalance to growing self-alienation in our world.
This need has only grown stronger during the pandemic. Our information-flooded lifestyle – even before it began! – has made us conscious of living with distance and separation; increasingly we miss every kind of connection … and art, also, can evoke this experience. Perhaps, then, this exhibition too is more relevant now than before the pandemic.
How can one describe ‘embodied art’?
It is not ‘using’ the body as a means, as a vehicle, or as a formal language. Neither declaring oneself to be material nor fixing space solely by means of the materiality employed. ‘Embodied art’ – in the harmony of the whole person in space and time – brings the process of action down to a common denominator. It is direct and inescapable. Elsewhere I use the concept of IS-ness for it. It isz
For the viewers, a directness of reception results that speaks to them beyond their intellect – but does not exclude it. It is like a happening needing no referentiality, but neither does it point to something else, something that goes beyond it, so therefore it is its own universe (as Ohad Naharin says in the video in the exhibition). One can also say that ‘embodied art’ creates a field in which the borders are fluid, and everything is related to everything else.
M-bodi-ment-A
The title, of course, has something manifesto-like to it, an assertion that wants to give this artistic practice its own label, its own name …
And concealed in the name is yet another concept if you put together the uppercase M at the beginning and the uppercase A at the end, the word MA results. ‘MA’ is the Japanese word for ‘space’; it describes more than the measurable content of a geometrical solid. It defines a space ‘between’ things; something between form and non-form. The factor of time can adopt a role of shaping space. The rhythm of clapping is thus determined by the pauses between the sound and not by the sound itself. Noa Eshkol as a Central Position I will not be able to address all the participating artists here; that would exceed the scope of this text, but will instead focus on Noa Eshkol, who was in a sense the key in my investigating this question of ‘embodied art’ for this exhibition. In the early 1970s, as part of my theatre directing studies, I participated in her movement lessons at the Seminar Ha‘Kibbutzim in Israel. Very unfamiliar method: a little unwieldy and quite reduced. Nothing spontaneous, like what I knew from Creative Dance. She never demonstrated a movement; there were no mirrors; she wanted us to feel the movements. Later, that was confirmed to me by her dancers when I visited the Noa Eshkol Foundation in 2019. Only thirty years later – and to my great surprise – I learned that she is also the artist who makes wall carpets from scraps of fabric. Eshkol’s dance practice and movement research are marked by reduction and a formalized language of movement. The colourful, expressive textile works stand in crass contrast. These two sides of her artistic work exist in parallel universes. One could perhaps say right-brain versus left-brain. Eshkol herself saw no connection between her dances and her textile works, and yet these different areas were very closely connected in her house in Holon and they mark, even today, a living place of regular group work, the home of the Noa Eshkol Foundation. A slide show in the exhibition space offers a few impressions from my aforementioned visit there. In it one can see, by the way, how Noa tacked the scraps of fabric, unchanged as she found them, to the supporting material and how later they were attached by the dancers with cross-stitches.

Of her work with fabric remnants, begun in 1973, Noa herself says: This occupation had at first no explanation and ideology. It began as an entirely personal urge to make something, not something that involved an intellectual decision […] It has no rules […] no theory – only passion. […] There is something of ‘action painting’ in this process. The combinations that result, reveal a choosing ‘I’ – one that I do not always recognise as ‘me’.

Black Ivy in the Window, 2006 Is the title of the wall carpets that is lying on a pedestal in the middle of the project room and is the centre of the exhibition.The work was completed a year before she died. It is more reduced in colour than most of her wall carpets and has an open composition. I sought it out as a contrast to many of her otherwise very compactly composed wall carpets. With this open composition, all of the other works are placed around it, so to speak. So, from this central point, most of the other works can be viewed and thus create a common whole. Kommentiert [SSL1]: Is this what you wanted?

The Nature of the Beast –
That’s what I called the constellation of artists for M-bodi-ment-A during the working process …
The artists belong to different generations (from Noa Eshkol, who died in 2007, to Abi Tariq, who was born in 1990). The diversity of their origins and work processes can and should eliminate the categories of ‘young’ and ‘old’ artist and also mix up the variety of their reputations and careers. I deliberately did not choose any brand-new works or concentrate on current trends in the visual or performing arts. I searched in the oeuvres of the Instead, I searched for works within the oeuvres of my colleagues which best represent the ‘embodied’ aspect.